Von Franziska Schleuter

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Freiflug

Unsere Lernwelt-Transformation abseits von Buzzwords

Ein persönlicher Erfahrungsbericht aus drei Jahren Transformation In der Theorie funktioniert eine Lernwelt-Transformation ungefähr so: Im ersten Schritt ein paar schlaue Bücher und Artikel lesen, die erstmal alle total Sinn ergeben. Im zweiten Schritt mit den richtigen Menschen darüber sprechen, mit der ein oder anderen Widrigkeit rechnen – man weiß ja schließlich, wie es läuft…

Freiflug

Ein persönlicher Erfahrungsbericht aus drei Jahren Transformation

In der Theorie funktioniert eine Lernwelt-Transformation ungefähr so: Im ersten Schritt ein paar schlaue Bücher und Artikel lesen, die erstmal alle total Sinn ergeben. Im zweiten Schritt mit den richtigen Menschen darüber sprechen, mit der ein oder anderen Widrigkeit rechnen – man weiß ja schließlich, wie es läuft – und dann … BOAH! Die Realitäts-Watsch´n schlägt ein! Die verstehen mich nicht, meine Kolleg*innen sind obstinat was Lernen angeht! Ok, ich male mal zum besseren Verständnis ein paar Bilder… Immer noch nicht? Was ist da los?

Na klar, die Theorie bereitet einen auch darauf vor: Veränderung macht Angst, das System erhält sich selbst, die richtigen Strukturen müssen geschaffen werden, cetera. Aber was macht man jetzt in der Praxis damit?

Dazu habe ich meine ganz persönlichen TOP-3 Challenges beim Etablieren des neuen, wirksamen Lernens in unserer Organisation extrahiert.

Challenge 1 – Die Organisation: Wozu was ändern? Die Seminare sind doch gut gebucht!

Ist Lernen oder der Lerntransfer das Problem? Für uns als burning platform stellte sich die Frage, wie das, was ein Lernender in einer sozialen Lernumgebung erfahren hat, in ein anderes soziales System – den Arbeitsalltag – bestmöglich übertragen werden kann. Das hat Auswirkung auf die Formate der Lernangebote, die wir in Zukunft anbieten müssen. Und klar, auch Lernende sollen sich ihre Räume zum Lernen selbst schaffen, wir bei MaibornWolff konzentrieren uns aber bewusst auf den Lerntransfer in den Joballtag.

Für unsere Lernangebote bedeutet das, dass sie wesentlich näher am Arbeitsalltag der Kolleg*innen sein müssen – sowohl zeitlich als auch inhaltlich. Daraus ergaben sich für uns die ersten drei von fünf Lernprinzipien:

Personalisierung: Wir gestalten die Lernangebote so, dass die Kolleg*innen ihr eigenes Thema mitbringen und diskutieren können. Damit stellen wir eine möglichst hohe Relevanz sicher.

Alltagsintegration: Einfach gesprochen: Die Lernangebote passen in den Kalender. Wir bieten Lernangebote an, für die keine kompletten Tage blockiert werden müssen.

Situationsbezogen: Wir richten unsere Lernangebote nach den Situationen aus, in denen die Fragen unsere Kolleg*innen tatsächlich aufkommen. Daher heißt jetzt ein Lernangebot: „Ich schätze die Aufwände für mein Projekt.“ 

Konkret auf Lernformate runtergebrochen, setzen wir nun verstärkt auf Mentorings, Coaching-on-the-job und kleinere Lern-Nuggets mit Reflexionsphasen.

Challenge 2 – Die Lernenden: Ich will aber mein 2-Tages-Seminar „Kommunikation“, wo finde ich das jetzt?

Beim Umbauen unserer Lernwelt fühlten wir uns oft an das Zitat von Henry Ford erinnert, der sagte: „If I’d ask customers what they wanted, they would’ve told me a faster horse.’ People don’t know what they want until you show it to them.“

Aber auch das Alte, Gewohnte ist nicht unbedingt schlecht. Daher schufen wir uns Experimentierräume. Einen Bolzplatz für neue Lernangebote, sozusagen: niederschwellig ausprobieren, einfach mal locker kicken und schauen, ob das Thema, Trainer:in und Format angenommen werden. Bewusst unter dem Label: Wir experimentieren gemeinsam!

Mit den neuen Formaten und Inhalten brauchten wir neue Darstellungsformen – (oje, gleich noch eine Veränderung!). Wir verstehen uns als Lern-Designer*innen. Dabei geht es uns vor allem um das „how it works“, und eher untergeordnet um das „what it looks like and feels like“. Aber mit den Lernnetzplänen ist uns Beides gelungen:

Die Linien sind ein inhaltlicher roter Faden durch die Lernangebote. Die einzelnen Haltestellen sind Lernangebote, die jegliches Format annehmen können. Eine Haltestelle kann mehrere Lernangebote beinhalten, etwa ein Video, ein Coaching-on-the-job und einen Link zu einer Community zum Thema. Auf den Linien kann sich „frei bewegt“ werden, es wird weder eine Richtung noch „Zwangs-Haltestellen“ vorgegeben.

Dieses Bild transportiert unsere letzten beiden Lernprinzipien:

Selbststeuerung: Der Lernende entscheidet selbst, wann und ob die bereitgestellten Lernangebote wahrgenommen werden. Wir haben kein allgemeingültiges Lern-Curriculum.

Lernmotivation: Wir entwickeln Lernangebote mit einer hohen Alltags-Relevanz für unsere Kolleg*innen. Dadurch triggern wir die intrinsisch vorhandene Lernmotivation.

Challenge 3 – Von außen: Da will uns wer was verkaufen, aber was passt wirklich?

Eine Lernwelt-Transformation schafft man nicht rein von innen heraus. Wir brauchen Trainer*innen, die mit der neuen Lernwelt mitgehen möchten, die unsere Werte und Prinzipien transportieren. Wir brauchen neue Tools und Inspirationen. Die Auswahl ist groß, doch wie extrahiert man das Passende?

Verantwortung übernehmen heißt, ich muss gute Antworten auf Fragen zu meinen Entscheidungen parat haben – unabhängig davon, ob die Entscheidung im Nachhinein richtig oder falsch ist. Hier helfen feste Kriterien, an denen man sich entlang hangeln kann.

Dazu haben wir neben unseren fünf klar formulierten Lernprinzipien, zusätzlich unsere Firmenwerte und Grundhaltungen erfasst, die uns bei Entscheidungen Orientierung geben. So ist etwa eine Grundhaltung beim Thema Führung die unbedingte Wertschätzung. Bieten wir nun Lerninhalte an, die von einer verdienten Wertschätzung handeln, kommen wir in Erklärungsnot und sie werden vermutlich vom Team abgelehnt.

Nicht alle Ideen funktionieren. Da gesteht man sich selbst vielleicht nur ungern ein, aber dann heißt es: Ernsthaft auf die Suche nach Gründen machen und loslassen, wenn es nicht passt, auch wenn die zuvor getroffene Entscheidung vermeintlich eine Gute war. Hauptsache man bleibt grundsätzlich auf Kurs und den eigenen Prinzipien treu.

Was habe ich bei der Transformation für mich gelernt? Sich selbst und sein Thema nicht zu ernst nehmen, einladende Haltung einnehmen, auf Kurs bleiben, manchmal auch in die Konfrontation gehen, aber durchlässig genug bleiben. Nix Neues? Ja, aber das in Balance zwischen Dogmatik und Pragmatik ist die Kunst – und unser Lern-Transformation-Team besteht aus Künstlern. 

Das Ende vom Lied nach fast drei Jahren Transformation: Wir haben Prinzipien, Darstellungsform und eine neue Infrastruktur. Über 94 Prozent der Neuankömmlinge geben „Lernen“ bei MaibornWolff als einen der Gründe an, gekommen zu sein. Und die Stimmen aus dem Team …

  • „Gratulation zu den Netzplänen. Das ist frisch, übersichtlich, motivierend und hoch professionell!„
  • Manchmal auch: „Ich will mein klassisches Kommunikations-Seminar!“
  • Aber vor allem: „Ihr habt es tatsächlich geschafft: Das neue Führungskräfte-Ausbildungsprogramm ist nach meiner Wahrnehmung ein Quantensprung. Da kann ich nur gratulieren!!!“

… stimmen uns positiv, dass wir auf einem guten Weg sind. Wir glauben daran, dass der riesige Kraftakt zum Schluss auch wirksameres Lernen bringen wird. Aber mal ganz ehrlich, so richtig messen können wir es bisher nicht. Vielleicht fällt Dir ja etwas dazu ein?

Persönliche Danksagung an meine Kolleginnen und Kollegen vom Campus-Team, Jakob Tewes und Team, Volker Maiborn und Gerrit Mauch, für die vielen Inspirationen, das fundierte Fachwissen, leidenschaftlicher Kampf, Spaß und in die Zukunft schießen. Und einen besonderen Dank auch an die kritischen Stimmen im Unternehmen – ihr habt die Transformation zu einem Erfolg werden lassen!

Wer Lust hat, sich zu dem Thema Lernwelten-Transformation mit mir auszutauschen, findet mich auf LinkedIn. 


Über den Autor

Franziska Schleuter

Bereichsleiterin Campus

Insgesamt ist Franziska seit zwölf Jahren bei MaibornWolff tätig. Zu Beginn als IT-Beraterin in zahlreichen Kundenprojekten. Dabei hat sie mit verschiedenen spielerischen Elementen Kunden wie BMW oder die Deutsche Bahn dabei unterstützt, neue Wege im Changemanagement der IT zu gehen. So hatte sie den Fokus schon immer auf diejenigen, die am Ende auch die Neuerungen in der IT anwenden werden – die Nutzer.:innen Der Sprung zum Thema Lernen, war damit nicht mehr weit. Seit über drei Jahren gestaltet Franziska Schleuter zusammen mit ihrem Team die Lernwelt von MaibornWolff von Grund auf neu und begeistert sowohl interne Kolleg:innen als auch externe Lernende mit innovativen und vor allem wirksamen Lernmethoden. Im Mittelpunkt stehen dabei zwei Dinge: Zum einen die Wirksamkeit der Lernangebote. Und zum anderen ein radikaler Ansatz von selbst-gesteuertem Lernen. Als Informatikerin und Arbeits- und Organisationspsychologin vereint sie die beiden DNA-Stränge, die das Thema “Lernen in einer agilen IT-Organisation” braucht.