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Purpose of IT: Mit guter UX Rettungseinsätze beschleunigen
Technologie kann helfen, Leben zu retten. Dieser Impuls trieb das Team um Michaela Kern und Stefanie Meitner an, als sie nach einem möglichen Showcase für unseren Networking-Softwareengineering-Tag suchten. In Tim Ehlers fanden sie einen Experten aus der Praxis, der ihnen alle Fragen rund um den Notarzteinsatz beantwortete. Die wesentliche Erkenntnis aus den Experteninterviews: In der…
Technologie kann helfen, Leben zu retten. Dieser Impuls trieb das Team um Michaela Kern und Stefanie Meitner an, als sie nach einem möglichen Showcase für unseren Networking-Softwareengineering-Tag suchten. In Tim Ehlers fanden sie einen Experten aus der Praxis, der ihnen alle Fragen rund um den Notarzteinsatz beantwortete.
Die wesentliche Erkenntnis aus den Experteninterviews: In der Notfallmedizin zählt mitunter jede Sekunde, insbesondere die Zeitspanne zwischen Notruf und Behandlung im Krankenhaus ist aktuell oft noch zu lang.
Was wäre, wenn wir die Kommunikation zwischen Rettungswagen und Krankenhaus technisch so unterstützten, damit sie schneller und gezielter abläuft? Diese Frage stand für Michaela Kern am Anfang der so genannten Ideation, der frühen Phase in jedem Projekt, in der Ideen gesponnen werden. Gern auch jenseits der realen Alltagssituation.
UX-Designerin Michaela Kern hat mit ihren Kolleg:innen den Showcase für UX in Rettungseinsatzen für unseren NSE-Tag aufgebaut. Erste Station war die User Journey vom Notruf bis zur Versorgung des Patienten im Krankenhaus.
Herzinfarkt: Jede Minute zählt
Wie stark ein Notarzteinsatz bereits digital unterstützt wird, ist deutschlandweit sehr heterogen.
Aktuell läuft ein Rettungseinsatz zum Beispiel wie folgt ab: Gestützt durch die Daten des EKGs kann der Notarzt die Diagnose Herzinfarkt stellen. Der Notfallsanitär ruft in der zentralen Leitstelle an, um einen Bettplatz zu organisieren. Die Leitstelle wiederum muss mitunter mehrere Krankenhäuser abtelefonieren, bis das passende Bett für den Herzinfarkt-Patienten gefunden ist. Erst, wenn ein passendes Krankenhaus gefunden wurde, meldet sich die Leitstelle, und der Rettungswagen kann endlich losfahren.
Trifft der Rettungswagen im Krankenhaus dann ein, muss dieses erst die Patientendaten aufnehmen, bevor der Patient weiter behandelt werden kann. Laut den Leitlinien von Herzinfarktnetzwerken sollten bei einem Herzinfarkt weniger als 60 Minuten zwischen dem Eintreffen des Rettungswagens und der erforderlichen Intervention (Reperfusionstherapie) liegen. Dies mindert die Wahrscheinlichkeit, dass der Patient stirbt. (Quelle: European Society of Cardiology, Guidelines for the management of acute myocardial infarction in patients presenting with ST-segment elevation).
Voice Assistent statt Telefonat
„Was wäre, wenn der Notfallsanitäter gar nicht mehr die Leitstelle anrufen müsste, sondern gleich losfahren könnte?“. Ausgehend von dieser Frage konzipierten Clemens Reitelbach und Anke Pellhammer einen Prototyp für einen Sprachassistenten im Rettungswagen. Einem solchen Voice Assistenten gibt der Sanitäter ein Kurzprofil des Patienten durch, das fünf Kriterien beinhaltet:
- Alter
- Geschlecht
- Diagnose
- stabil/ nicht-stabil
- beatmet/ nicht-beatmet
Diesen Prototypen für den Voice Assistenten im Rettungswagen haben Clemens Reitelbach und Anke Pellhammer konzipiert.
Dieser smarte Voice-Assistent macht jedes Telefonat überflüssig. Er denkt mit, hakt nach, sollte der Sanitäter eines der Kriterien vergessen haben. „Wir setzen hier bewusst auf ein Voice User Interface. Das ist im Gegensatz zum Tippen auf irgendwelchen Displays eine natürliche Weitergabe der Kriterien“, erklärt Stefanie Meitner. “Noch dazu haben wir in einem Fahrerhäuschen kaum auditive Störfaktoren”.
Intelligente Suche nach Krankenhausbett
Der Voice Assistent kann den Rettungseinsatz auch durch eine intelligente Suche nach passenden Krankenhäusern beschleunigen, so Michaela Kern weiter: „Der Notfallsanitäter bekommt keine 30 möglichen Krankenhäuser genannt, sondern nur die drei Krankenhäuser, die ein Kathederlabor, einen freien Platz haben und laut aktueller Verkehrslage schnell erreichbar sind. Idealerweise gibt das System eine Empfehlung anhand der freiwerdenden Kapazitäten im Krankenhaus. Hier kommt der UX-Trend Anticipatory Design zum Tragen.“ Dadurch, dass der Assistent eine Vorauswahl trifft und nur die wirklich relevanten Ergebnisse anzeigt, fällt es dem Notfallsanitäter leichter, eine Entscheidung zu treffen.
Im Was-wäre-wenn-Szenario ist der Voice Assistent mit einem Krankenhaustool verknüpft, das den zentralen Überblick über die aktuelle Belegungssituation, die geplanten OPs sowie die reinkommenden Notfälle hat. Den zugehörigen Prototypen haben Anja Weigl und Florian Holzmann für den NSE-Tag gebaut.
Big Screen: Transparenz im Krankenhaus
UX-Designerin Stefanie Meitner vor dem Big Screen, der das Krankenhauspersonal informiert, welcher Patient in welchem Zustand in wie vielen Minuten eintrifft.
Sobald der Rettungssanitär während der Fahrt das passende Krankenhaus ausgewählt hat, wird das klinische Personal über eine Art digitales Whiteboard auf einem Big Screen informiert, welcher Patient in welchem Zustand in wie vielen Minuten eintrifft. Genug Zeit, damit das Krankenhauspersonal alle notwendigen Vorbereitungen treffen oder unter Umständen auch noch die aktuelle Aufgabe beenden kann. Die berührungsfreie Bedienung des Big Screens ermöglicht es, hygienische Standards einzuhalten.
Die Weitergabe der relevanten Informationen wird durch optische, akustische oder haptische Signale unterstützt. Die Ärztin kann zum Beispiel per Vibrieren ihrer Smartwatch darauf aufmerksam gemacht werden, dass ein neuer Patient auf dem Weg ist. Ein Countdown erinnert sie, dass sie in fünf Minuten beim Patienten sein muss.
Die Idee eines just-in-time Datenaustausches zwischen Rettungswagen und Krankenhaus würde die aktuelle Aufnahme der Patientendaten nach Eintreffen des Rettungswagens überflüssig machen und kostbare Zeit einsparen.
Schnittstelle zum Krankenhaus fehlt
„Genau hier liegt aber die größte Herausforderung in unserem Showcase,“ räumt Michaela Kern ein. Aktuell existiert keine Schnittstelle zwischen den komplexen Systemlandschaften der Krankenhäuser und den Systemen der Rettungsdienste, die einen nahtlosen Übergang der Daten ermöglicht. Voraussetzung für einen Datenaustausch und eine intelligente Suche nach Bettenkapazitäten ist auch, dass die Krankenhäuser ihre Daten nicht nur strukturiert haben, sondern auch kontinuierlich pflegen.
Eine gute Datenqualität ist die Grundlage. In den Augen von Michaela Kern sollte das Krankenhaustool dem Grundsatz „AI driven UX“ folgen. Das System muss in der Lage sein, aufgrund historischer Daten dazuzulernen und Prognosen zu stellen. In dem oben skizzierten Showcase wüsste das Krankenhaustool wie lange etwa eine durchschnittliche Herzkatheter-Intervention unter den bekannten Rahmenbedingungen dauert. So könnte am digitalen Whiteboard angezeigt werden, wann der nächste Platz im Herzkatheter-Labor frei sein wird.
Noch ist das Zukunftsmusik, in der Realität des Jahres 2022 verbringt das medizinische Personal im Krankenhaus jeden Tag durchschnittlich zwei Stunden am Telefon. Zeit und auch Wege könnten eingespart werden, würden die Patienteninformationen zwischen Krankenhäusern und Rettungsdiensten über Sprachassistent und Krankenhaustool ausgetauscht werden.