Alexander Kölmel

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TalkAbout

Visualize your work

Ein Plädoyer für das physische Board Kein Projekt kommt heutzutage noch ohne Boards aus. Ob in Planungs-Meetings oder im Daily Standup: Ein Board leistet einen entscheidenden Beitrag zum Planen und Ausführen von Aufgaben. Viele Teams stehen vor der Entscheidung: “Digitales Board” (wie z.B. in Jira oder Trello) oder “physisches Board”. Viel zu oft wird dabei…

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Ein Plädoyer für das physische Board

Kein Projekt kommt heutzutage noch ohne Boards aus. Ob in Planungs-Meetings oder im Daily Standup: Ein Board leistet einen entscheidenden Beitrag zum Planen und Ausführen von Aufgaben. Viele Teams stehen vor der Entscheidung: “Digitales Board” (wie z.B. in Jira oder Trello) oder “physisches Board”. Viel zu oft wird dabei leider auf das physische Board verzichtet.

Dabei ist ein physisches Board ist für mich wie eine Continuous Integration Pipeline oder Integrationstests: Man kann in Software-Projekten theoretisch auch drauf verzichten – dann wird’s aber nur halb so gut.

In diesem Blog-Eintrag möchte ich euch an einem exemplarischen Board erklären, warum ich das so sehe. Die Elemente, die wir dort sehen, haben wir in meinem letzten Projekt erfolgreich angewendet.

Visualize your work. Ein Plädoyer für das physische Board (c) Alexander Kölmel

Ich gewinne einen schnellen Überblick

Das obige Board zeigt auf einen Blick, wer an welchem Task arbeitet und wieviele Aufgaben noch offen sind. Zudem gibt das Team hier eine persönliche Einschätzung, ob Backlog-Items noch geschafft werden können: über die Smileys: “Confident”/”Maybe not”/”No way”.

Solche Zusatzinformationen lassen sich in ein digitales Board nur mit großem Aufwand integrieren. Meist kriegt man nicht mal alle benötigten Karten auf einen Bildschirm.

Das gesamte Team arbeitet zusammen

Das Runterbrechen eines Backlog Items in Tasks kann gemeinsam vor dem Board geschehen. Zettel zu schreiben und an die Wand zu hängen ermöglicht es dem gesamten Team, sich am Planungsprozess zu beteiligen.

Auch ein Daily Standup erhält eine klare Struktur. Entstehen Fragen, die das Standup sprengen würden, kann jedes Teammitglied einen “?”-Sticker an den Zettel hängen. Treten im Laufe des Tages Probleme auf, die im nächsten Daily Standup geklärt werden können, kann ein Zettel in die Inbox “gehängt” werden.

In digitalen Boards fühlt sich Kollaboration oft an wie Frontalunterricht. Die Person, die den Laptop aufklappt, steht unter dem größten Stress, während die Kollegen wenig motiviert werden, die Initiative zu ergreifen.

Ich kann Prozessänderungen flexibel umsetzen

Jederzeit und nur mit wenig Aufwand können Prozessanpassungen ausprobiert und umgesetzt werden. Ich will eine “Definition of Done”, eine weitere Spalte für Code Reviews oder eine Urlaubsliste ans Board hängen? Kein Problem, einfach Stift und Zettel in die Hand nehmen und ab an die Wand.

In digitalen Boards muss man sich dagegen immer mit dem zufrieden geben, was das Tool an Funktionalität bereitstellt. Manchmal fehlen den Nutzern sogar die Rechte geeignete Anpassungen vorzunehmen.

Die Haptik sorgt für guten Team-Spirit

Nicht zu unterschätzen ist der psychologische Effekt der Haptik eines physischen Boards. So bleiben die Aufgaben in Form von handgeschriebenen Zetteln wesentlich besser im Gedächnis als “digitale Karten”.

Das Umhängen von Zetteln gibt den meisten Leuten eine größere Zufriedenheit. Man ist stolzer auf etwas Abgeschlossenes als bei einem digitalen Statusübergang. Zudem schafft das Abhängen von erledigten Aufgaben schnell mentalen Raum für neue Tätigkeiten.

Im Gegensatz zu digitalen Boards wird man auch ermutigt, sich zu bewegen und weniger sitzend auf den Rechner zu starren.

Hybrid-Lösungen in Kombination mit digitalen Boards

Natürlich ist das physische Board nicht das Schweizer Armeemesser, das uns alle Probleme löst. Insbesondere entfaltet es seine größte Wirkungskraft, wenn die Personen, die damit arbeiten, im selben Raum sitzen.

Aus meiner Erfahrung diszipliniert ein physisches Board auch bei stark verteilten Teams, so dass der Vorteil eines gut strukturierten Daily Standups bleibt. Deswegen möchte ich auch in solchen Situation nicht darauf verzichten. Wichtig hierbei ist remote-taugliche Technik (gute Kamera, gutes Audio) und Moderation (z.B. Post-Its müssen vorgelesen werden) von einem Teilnehmer, der am phyischen Board steht.

Ein weiterer Nachteil von physischen Boards: Sie sind schwer nachhaltig zu dokumentieren. Es ist maximal möglich in regelmäßigen Abständen, z.B. nach dem Daily Standup ein Foto vom aktuellen Zustand des Boards zu machen. Wenn viel Dokumentation erwünscht oder gefordert ist, wäre ein digitales Board vorzuziehen.

Es ist für mich selten die Frage nach “digital” ODER “physisch”, sondern welche Informationen packe ich in ein digitales, welche in ein physisches Board. Meine Empfehlung ist, auf unterschiedlichen Granularitätsleveln zu arbeiten. Ich empfinde ein digitales Board für die Dokumentation auf der groben Ebene (d.h. Releases, Epics, Stories) durchaus praktisch.

Sobald es allerdings feingranularer wird (d.h. Stories und deren Tasks), sehe ich ein physisches Board unschlagbar.

Auch wenn viel auf der groben Ebene geplant werden soll (z.B. aus welchen Stories setze ich ein Release zusammen), lohnt es sich hin und wieder die Stories auszudrucken und den Rechner auszuschalten.

Fazit und Ausblick

Im Projektleben gibt es für mich wenige Konstanten. Technologien ändern sich, Kunden sind abwechslungsreich, Kollegen haben unterschiedliche Bedürfnisse.

Ich habe aber bisher in jedem Projekt ein physisches Board eingesetzt – und es hat jedesmal einen Mehrwert geliefert. Die Elemente aus dem obigen Board waren im letzten Projekt für uns hilfreich. Im nächsten Projekt sieht das Board wahrscheinlich ganz anders aus.

Probiert also aus, was für euch passt. Experimentiert und verbessert. Der Phantasie sind dabei keine Grenzen gesetzt. Viele spannende Visualisierungsideen findet ihr z.B. in dem Buch VisualizationExamples.com/

Teilt ihr meine Begeisterung für physische Boards? Ich freue mich auf eure Ideen und Erfahrungen.


Über den Autor

Alexander Kölmel

Agile Consulting and Engineering 

Alexander Kölmel hat mehr als 10 Jahre Erfahrung in komplexen Softwareentwicklungs- und Beratungsprojekten und ist seit 2016 als IT-Architect bei MaibornWolff im Bereich „Agile Consulting and Engineering“ tätig. Er ist auf Software-Entwicklung und -Architektur im agilen Projektumfeld spezialisiert. Neben seiner Rolle als Software-Entwickler fördert Herr Kölmel in seinen Projekten die Selbstorganisation und effiziente Arbeit agiler Scrum-Teams. Sein Hauptanliegen ist es in Kundenprojekten eine vertrauensvolle, ergebnisorientierte Zusammenarbeit zu sichern und mit der zu liefernden Software einen höchstmöglichen Nutzerwert zu generieren.